Alle Jahre wieder…

… kommt das Christus-Kind. Und die Sommer-Ferien. Ich habe letztes Jahr einen Teil des Problems dargestellt. Jetzt ist wieder ein Jahr vergangen und geändert hat sich nichts. Warum? Ich fürchte, das weiss niemand so ganz genau.

Der Ablauf ist dabei immer der gleiche: mit wem auch immer man spricht, man erntet zunächst ungläubige Blicke, danach tut sich Empörung über diese unhaltbaren Zustände auf, zum Schluss bekunden alle ihren guten Willen. Swoeit so gut. Danach wird dann – für mich nicht überprüfbar, ich nehme an, es passiert tatsächlich – das ganze in Arbeitskreisen und Diskussionsrunden angesprochen. Ändert sich dadurch etwas? Nein, tut es nicht.

Den Vogel abgeschossen hat dieses Jahr Dr. Manfred Beck, Stadtdirektor der Stadt Gelsenkirchen und Chef des Vorstandsbereiches „Kultur, Bildung, Jugend, Sport und Integration“.

In einer öfffentlichen Diskussionsveranstaltung hat er auf das Problem Ferienbetreuung angesprochen zunächst versucht, dieses als „vermutlich leicht zu lösenden Einzelfall, der besser direkt mit der Verwaltung besprochen wird“ zu klassifizieren. Als sich mehrere Eltern zu Wort gemeldet haben, und es allen Anwesenden klar war, dass es genau das nicht ist, hat er ein Gespräch mit den Fachabteilungen und Vertretern der Betroffenen angeboten. Der sich breitmachende Unmut auch unter den Nicht-Betroffenen beruhigte sich.

Hat sich dadurch etwas verändert? Nein. Denn Dr. Beck hat dieses Gespräch im Nachgang als „erlässlich“ bezeichnet und abgesagt. Seine Begründung: durch den Unterricht sei „eine Betreuung dem Grunde nach sichergestellt und ein rechtlicher Anspruch auf weitergehende Betreuung nicht gegeben“. Eine mehr als peinliche Aussage für jemanden, der sich selbst gern als Freund und Förderer der Inklusion inszeniert (Newsletter KBB 07/2016) und eine Stadt vertritt, die auf ihrer Homepage damit wirbt, europaweit Spitze zu sein, was Bildung und Unterstützung von Familien angeht (www.gelsenkirchen.de)

Was sich nun geändert hat ist, dass die Betroffenen nicht mehr bereit sind, sich damit abzufinden so abgekanzelt zu werden (Offener Brief). Ein Lichtblick. Unverständlich bleibt das Verhalten dennoch,

Pressemitteilung

„Und kommen Sie mit Ihrem Kind nie wieder…

…wenn ich Vertretung mache.“ Wer sowas sagt? Man mag es kaum glauben: Eduardo N., seines Zeichens Kinderarzt in Gelsenkirchen und Vertretungsarzt unserer Kinderärztin.

Doch von Anfang an: Wir haben ab Mittwoch einen Kurzzeitpflegeaufenthalt für Noah bekommen. Die Plätze hierfür sind rar, man kann Wünsche äußern, aber eine Garantie für bestimmte Termine gibt es nicht. Und vergeben werden die Termine mindestens ein halbes Jahr im voraus.

Kinder die regelmäßig Medikamente benötigen, müssen diese selbstverständlich auch in der Kurzzeitpflege einnehmen. Und wer mit Pflegeeinrichtungen mal in Kontakt gekommen ist weiss: Ohne ärztliche Anweisung geht da nichts. Das ist auch bei Kindern nicht anders. Die relativ einfache Regel lautet:

Für Medikamente wird eine ärztliche Verordnung benötigt, aus der Medikament und die Art der Einnahme ersichtlich sind. Die Bescheinigung darf bei Beginn des Aufenthalts nicht älter als drei Tage sein.

Eigentlich eine sinnvolle Regelung, die auch meistens kein Problem darstellt. Unsere Kinderärztin stellt diese jederzeit auf den von der Pflegeinrichtung bereitgestellten Formularen aus. Im Wesentlichen gilt es eine Unterschrift zu leisten, wir füllen das Formular bereits vorher aus.

Heute wollten wir dann die Bescheinigung für Mittwoch abholen, also frühestmöglich. Leider mussten wir dabei feststellen, dass unsere Kinderärztin im Urlaub ist. Der Anrufbeantworter hat uns aber über die organisierte Vertretung informiert: Eduardo N.. Wir haben uns angewöhnt in allen solchen Fällen zunächst vorab telefonisch unser Anliegen zu schildern. Verbunden diesmal mit dem Hinweis, dass wir die Kopie einer Verordnung von letzter Woche besitzen, die unsere Kinderärztin anlässlich von Noahs Klassenfahrt ausgestellt. Also quasi genau das was wir benötigen, auf einem anderen Papier und eine Woche zu alt.

Herr N. hat über seine Angestellte ausrichten lassen, er würde diese Bescheinigung nicht ausstellen, er wäre ja nur der Vertretungsarzt. Darauf hingewiesen, dass er dies in der Vergangenheit (ich würde vermuten vor ca. 2 Jahren) bereits einmal getan habe, liess er mitteilen, das könnte wohl sein, aber seit einer Gesetzesänderung zum 01.01. sei ihm das nicht mehr erlaubt. Diese Aussage hat mich dann doch etwas verwundert, wofür ist ein Vertretungsarzt denn dann da, wenn nicht zur Wahrnehmung des Arztaufgaben, wenn dieser im Urlaub ist? Aber gut, man weiss ja nie.

Also zunächst die Barmer GEK angerufen. Ergebnis: keins. Es sei zwar seine Aufgabe, wenn er das nicht mache, hätte man als Krankenkasse aber keine Handhabe. Ok.

Nächste Station: Kassenärztliche Vereinigung Westfalen Lippe, Geschäftsstelle Gelsenkirchen. Immerhin die Stelle, bei der man sich über die Arbeit von Ärzten beschweren können soll. Geht tatsächlich, aber nur schriftlich. Für die Lösung des Problems sei eine Kontaktaufnahme mit dem Patiententelefon der Ärztekammer die beste Lösung. Eine geänderte Rechtslage sei nicht bekannt.

Nach ungefähr 60 (!) Versuchen jemanden zu erreichen (Es gibt keine Warteschlange, wenn alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sprechen, wird man auf das Kontaktformular im Internet verwiesen und aufgelegt), konnte ich dort mein Problem schildern. Mir wurde ein Rückruf zugesagt. Ungefähr eine halbe Stunde später kam dieser dann auch, wir haben das Problem diskutiert und herausgefunden, dass der Vertretungsarzt die medizinische Versorgung sicherstellen soll und dass hierzu wohl auch das Ausstellen der begehrten Bescheinigung gehöre. Die Rechtslage habe sich nach dortiger Kenntnis auch nicht geändert. Machen könne man aber letztendlich nichts, ein Weisungsrecht bestünde nicht. Die Vorschläge, das Kind doch erst Donnerstag in die Kurzzeitpflege zu geben, wenn die Kinderärztin wieder erreichbar sei oder zu versuchen diese in ihrem Urlaub zu erreichen und zur Unterschrift zu bewegen sind wohl eher der verzweifelte Versuch das Versagen des Systems zu kaschieren als ernstgemeinte Lösungsvorschläge.

Letztendlich sind wir dann doch zu Herrn N. in die Praxis gefahren, der sich zunächst immer noch weigerte, die Verordnung von letzter Woche fortzuschreiben. Wohl gemerkt: Wir wollten kein Rezept über Medikamente, die haben wir alle in ausreichender Menge im Vorfeld besorgt. Nach Hinweis auf das Gespräch mit KV und Ärztekammer und die dort unbekannte Änderung gesetzlicher Regelungen haben wir dann eine neue Variante zu hören bekommen: Wenn er sowas ausstelle, würde er Ärger mit der Krankenkasse bekommen, von dort würde Druck ausgeübt.

Nach weiterer Diskussion, die im Übrigen auf seinen Wunsch hin auf dem Flur seiner Praxis stattfand, hat er dann unter lautem Geschimpfe doch unterschrieben. Verbunden eben mit „Und kommen Sie mit Ihrem Kind nie wieder, wenn ich Vertretung mache.“

Ich werde die Kassenärztliche Vereinigung und Krankenkasse um Stellungnahme bitten und erneut berichten.

Inklusion – der Gelsenkirchener Weg

… war der Titel einer Veranstaltung, die ich gestern besucht habe. Organisiert von der Stadtschulpflegschaft, als Vortragende Herr Südholt als zuständiger Mitarbeiter des Schulamts und Dr. Beck als zuständiger Dezernent.

Nach einem durchaus informativen Vortrag konnte dann das Publikum Fragen stellen. Und eins ist mir dabei wieder sehr deutlich geworden: Schulische Inklusion wird auf absehbare Zeit nicht funktionieren.

Das liegt nicht so sehr an „äusseren Umständen“ wie fehlenden Aufzügen oder nicht gebauten Integrationsräumen. Das ist ärgerlich, aber nicht der Kern des Problems.  Woran es wirklich hängt ist der gesellschaftliche Wille Inklusion zu betreiben.

Ich will nicht verhehlen: Ich halte unser Förderschulsystem für gut und erhaltenswert. Es wird gute Arbeit geleistet und Kinder mit Förderbedarf werden auch gut gefördert. Es wird aus meiner Sicht immer Kinder geben, die nicht sinnvoll im Gemeinsamen Lernen unterrichtet werden können. Das ist eine Realität, der wir uns stellen müssen. Aber es gehört auch zur Realität, dass es eben viele Kinder gibt, die problemlos im Gemeinsamen Lernen beschult werden könnten, wenn wir es denn wollten: Ungefähr die Hälfte der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf sind dem Schwerpunkt „Lernen“ zugeordnet (http://www.tu-berlin.de/fileadmin/i49/dokumente/demmer-dieckmann/KMK.pdf). Nur Österreich kennt diesen Schwerpunkt auch, alle anderen europäischen Länder unterrichten dies schon immer inklusiv.

Drei Beiträge in der Diskussion waren charakteristisch für das eigentliche Problem:

  1. Herr Südholt hat aus seiner Zeit als Schulleiter einer Förderschule von vielen Gesprächen mit Schülerinnen und Schülern berichtet, die alle in etwa gleich abliefen. „XXX, wie gehts Dir?“ „In der Schule ists gut Herr Südholt. Hier muss ich nicht den ganzen Tag Sachen machen die ich nicht kann sondern kann auch mal an die Werkbank/… gehen“ „Und ausserhalb der Schule?“ „Nicht so gut. Ich darf im Sportverein nicht mitmachen, werd nicht zu Kindergeburtstagen eingeladen usw.“.
  2. Eine Mutter hat vorgetragen, dass man mehr auf die Kinder hören sollte, wenn es um die Frage „Gemeinsames Lernen oder nicht?“ geht. Kinder mit Förderbedarf würden bei inklusiver Beschulung von den anderen gehänselt, weil sie weniger Leistung erbringen würden als die Regelkinder. Das sei ein Kontra für das Gemeiname Lernen und das müsse man seinem Kind mit Förderbedarf nicht antun.
  3. Ein Lehrer eines Gymnasiums erklärte, dass er dauerhafte Doppelbesetzung mit einem Sonderpädagogen für inklusiven Unterricht benötige, er könne ja nicht zwei verschiedene Leistungsstände in einer Klasse unterrichten.

Warum sind diese drei Beiträge so bemerkenswert? Weil sie am Kern des Problems kratzen. Die Gesellschaft als Ganzes muss sich auf Inklusion einlassen. Inklusion endet nicht am Ein- oder Ausgang der Schule. Und es spielt am Ende nur eine begrenzte Rolle, ob jemand an einer Förderschule oder im Gemeinsamen Lernen unterrichtet wurde, wenn er gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben kann. Das Stigma „Förderschule“, „Brettergymnasium“, „Doofenschule“ ist nur ein Symptom dafür, dass sich weite Teile der Gesellschaft nicht damit befassen wollen, dass Diversität nomal ist.

Sowohl die von Herrn Südholt als auch die von der Mutter beschriebene Situation entsteht nicht von selbst. Ja, Kinder sind manchmal fies, das sind sie und waren sie immer: Der eine ist doof, weil er schlechte Noten schreibt, die nächste ist eine Streberin, weil sie nur gute Noten schreibt, der dritte hat ne schiefe Nase und die vierte hat das falsche Handy. Das hat nichts mit dem Gemeinsamen Lernen zu tun. Aber wenn es in Mobbing ausartet, haben die Eltern versagt. Sie haben versagt darin, ihrem Kind beizubringen Rücksicht zu nehmen. Es sind nicht die Kinder, die mit zwei Jahren auf dem Spielplatz den Behinderten ausgrenzen, es sind die Eltern, die sagen „Geh da mal lieber nicht hin“. Und es sind nicht die Kinder, die in der Grundschule den Leistungsdruck produzieren, es sind die Eltern. Es sind die Eltern, die Ihrem Kind vermitteln „die, die eigentlich auf die Förderschule gehören bremsen Dich aus und nehmen Dir die Chancen“. Vielleicht wird das nicht immer so explizit ausgedrückt, in der Tendenz ist es so.

Und eigentlich ist auch die Aussage des Lehrers (und die seiner Kollegin, man müsse die eigenen Schülerinnen und Schüler ja auf das Abitur vorbereiten) das gleiche nur anders verpackt: Inklusion führt zur Vernachlässigung der Regelkinder. Dabei ist unterschiedliche Niveaus zu unterrichten an Gesamtschulen Täglichbrot, es geht also offensichtlich, wenn man denn will.

Es ist das, was wir als Erwachsene unseren Kindern vorleben, was Inklusion unmöglich macht. Wie berichtet waren wir ja in den Ferien im Urlaub in Dänemark. Da gab es einen gewaltigen Unterschied: Wir sind mit Noah regelmässig in den Supermarkt einkaufen gegangen, die Situation war neu und aufregend für ihn. Wie das dann so ist, hat er dabei auch lautiert, deutlich hörbar. Und trotzdem hat niemand schräg geguckt, niemand hat sein Kind weggezogen, oder einen grossen Bogen gemacht. Bei einem Besuch in einem Eisenzeit-Museum, in dem man sich dann auch passend verkleiden konnte, hat sich der Mitarbeiter wirklich bemüht, Noah in die Auswahl seiner Bekleidung einzubeziehen. Andersartigkeit wurde ganz offensichtlich akzeptiert. Von allen. Nach der Rückkehr wurde ich im Rewe (von den Kunden) leider wieder auf den Boden der Tatsachen geholt.

Und das Fazit? Ein Gesetz reicht nicht. Bei weitem nicht. Solange wir nicht aufhören alles zu sortieren und in Schubkästen zu Verpacken, werden wir keine Inklusion erreichen. Weder in der Schule, noch in der Gesellschaft.

Dann können Sie eben nicht in Urlaub fahren….

…war die Aussage der weniger freundlichen Mitarbeiterin des Bürgerbüros.

Wir wollen in den Urlaub fahren. Nicht mal in ein wahnsinnig kompliziertes Land mit Visa oder ähnlichem, nicht einmal mit Flug, sondern mit dem Auto. Nach Dänemark um genau zu sein. Eigentlich ja kein Problem, Dänemark ist ja Schengen-Staat. Was brauchen wir also? Ausweisdokumente für die ganze Famile. Vanessa und ich haben natürlich einen Personalausweis, Laura bekommt auch einen, kein Problem. Für Noah reicht noch bis er zwölf wird ein Kinderreisepass.

Was braucht man dafür? Geburtsurkunde, Kind, Einverständnis aller Sorgeberechtigten und biometrisches Bild. Und da haben wir schon das Problem: Ein Foto das die engen Anforderungen an ein biometrisches Bild erfüllt ist mit Noah kaum zu machen: stur geradeaus gucken ohne zu lachen oder den Kopf schief zu halten ist nicht gerade seine Stärke. Auf die Problematik hingewiesen teilte die Mitarbeiterin mit, das wäre egal: biometrisches Bild oder kein Reisepass und ohne Reisepass eben auch kein Urlaub im Ausland.

Ist das so? Nein, ist es nicht. In der Passverwaltungsvorschrift steht unter 6.2.1.1.3:

Unabhängig vom Lebensalter sind aus medizinischen Gründen Abweichungen von den Lichtbildanforderungen zulässig. Medizinische Gründe in diesem Sinne sind dann anzunehmen, wenn es der antragstellenden Person nach aktuellen medizinischen Erkenntnissen objektiv nicht möglich sein wird, die Lichtbildanforderungen in absehbarer Zeit zu erfüllen.

Warum die Mitarbeiterin das nicht weiss? Keine Ahnung. Spielt eigentlich auch keine Rolle. Mit ein bisschen Einfühlungsvermögen wäre man vielleicht auf die Idee gekommen, mal nachzufragen, was man denn in so einem Fall tut, statt von vornherein mit Ablehnung zu reagieren.

Seltsamerweise wusste die Mitarbeiterin an der Pass-Hotline des Innenministeriums sofort, wo das steht und was da steht. Und die telefonisch kontaktierte Teamleitung des Bürgercenters hat sich entschuldigt und nach kurzer Rücksprache festgestellt: Natürlich kann abgewichen werden, es muss nur Kinn bis Stirn ohne Schatten auf dem Bild erkennbar sein. Das bekommen wir hin. An dieser Stelle auch vielen Dank für das Angebot, es für Noah weniger anstrengend zu machen und die Wartezeit im Bürgercenter so weit es geht zu verkürzen. DAS ist behindertenfreundlich.

Nachtrag: Das Bild haben wir inzwischen. Vielen Dank an Team Fotostudio für die Geduld.

Überraschung am morgen….

Seit einigen Wochen hat Noah eine ganz eigene Vorstellung davon, wie man optimalerweise die Nacht verbringt. Sein Zimmer passt er dann abends dieser Vorstellung an. Dazu gehört: Matratze halb raus aus dem Bett, Bettlaken und Matratzenschoner abziehen, Kopfkissen aus dem Bezug holen. Geschlafen wird dann unter der Bettdecke auf der halb auf dem Bett, halb auf dem Boden liegenden Matratze.

Ob es wirklich der Grund ist oder nicht weiss ich natürlich nicht, aber ich vermute es hängt damit zusammen, dass er etwa zur gleichen Zeit entdeckt hat, dass der Spielzeug-Bauernhof, der seit drei Jahren in seinem Zimmer steht, „Old McDonald had a farm“ spielt, wenn man den richtigen Knopf drückt. Seit er das weiss, dudelt es bis in die Nacht die gleiche Melodie, selbstverständlich nur abends, tagsüber kann man auf keinen Fall damit spielen. Und genau diesen Knopf kann man aus seiner Liegeposition erreichen, wenn man das Bett entsprechend umbaut. Ich gehe davon aus, das wird sich wieder legen. Vor ein paar Jahren haben wir stundenlang „Das ist das lila Dreieck – didelidum“ von seinem Frosch gehört.

Natürlich räumen wir das jeden Abend auf. Heute wird es etwas länger dauern, das Chaos zu beseitigen. Noah war nämlich heute morgen unbekleidet, als Vanessa ihn geweckt hat. Der Inhalt der Windel war fein säuberlich im Bett verteilt. Happy Cleaning.

Die Ferien haben begonnen

Für berufstätige Eltern keine Neuigkeit:  Zwölf Wochen Schulferien im Jahr sind mit 30 Tagen Urlaub nicht abzudecken. Trotzdem müssen Kinder betreut werden.

In Gelsenkirchen sind wir da gut dabei: An allen Grundschulen gibt es den offenen Ganztag, ein Betreuungsangebot von 8-16 Uhr, als Modellprojekt sogar bis 17 Uhr. An jedem Schultag, aber auch in den Ferien (nicht nur den Sommerferien!) mit Ausnahme der ersten drei Wochen in den Sommerferien. Das Ganze zu sozial-verträglich gestaffelten Preisen, von 0 € für GeringverdienerInnen, bis zu 100 € monatlich für Einkommen über 61355 €. Ein Durchschnittsverdiener zahlt 35 €.

Auch die ersten drei Wochen in den Ferien stellen kein Problem dar: Das Jugendamt bietet seit vielen Jahren unter dem Namen „Ferien vor Ort“ in den Jugendzentren ein betreutes Programm an, das seines Gleichen sucht. Auch hier: die Teilnahmegebühr ist nach Einkommen gestaffelt.

So weit, so gut. Besser geht vermutlich immer, aber meiner Meinung nach ist das schon nah am Idealzustand.

Für Behinderte sieht es leider nicht so rosig aus. Halt. Für geistig Behinderte nicht. Denn deren Schulen sind nach Landesrecht Ganztagsschulen. Mit dem Ergebnis, dass es natürlich keinen offenen Ganztag gibt. Neben keiner Betreuung an den üblichen Ausfalltagen (LehrerInnenausflug, pädagogischer Tag, etc.), die an Regelschulen auch von der OGS abgedeckt werden heisst das vor allem: keine Betreuung in den Ferien. Null. Nada.

Ja, am „Ferien vor Ort“-Programm des Jugendamtes können Behinderte teilnehmen. Auch geistig Behinderte mit extrem erhöhtem Betreuungsbedarf. Zu den gleichen Konditionen wie Nicht-Behinderte: Ein echtes Beispiel für Gleichberechtigung. Noah hat das in den vergangenen zwei Jahren wahrgenommen. Er ist gerne dahin gegangen, es gab keine Probleme: wir hatten ein gute Gefühl dabei. In diesem Jahr ist es leider nichts geworden. Warum? Bei der Betreuung Inkontinenter ist eine Dusche vorgeschrieben, die ist nur leider in den Jugendzentren nicht vorhanden. Lobend muss man das Jugendamt trotzdem erwähnen: das Problem wurde ehrlich kommunziert, sofort verbunden mit der Aussage „wir werden Sie auf keinen Fall hängen lassen“.  Und am Ende wurde auch eine Lösung gefunden. Ehrlich: Vielen Dank dafür, so kann es funktionieren, wenn alle wollen.

Und die restlichen neun Wochen Ferien und die anderen Tage? Da kann man auf Angebote der Lebenshilfe zurückgreifen. Die sind nur leider mit einkommensunabhängigen Kosten verbunden, ca. 230 € / Woche für das Ferienprogramm (inkl. des Fahrdienstes). Unser Durchschnittsverdiener zahlt also das fünffache für die Betreuung seines behinderten Kindes in neun Wochen Ferien, verglichen mit dem Rund-Um-Sorglos-Jahresbeitrag der OGS. Die restlichen freien Zeiten im Schuljahr sind dabei noch nicht abgedeckt.

Zugegeben: ArbeitnehmerInnen haben Urlaub. Den darf man durchaus auch nutzen, um sein Kind zu betreuen. Es ändert aber nichts an dem grundsätzlichen Problem: die Aufwendungen für das behinderte Kind sind unvergleichlich höher. Gerecht ist anders.

Es geht los…

Ab heute werde ich in unregelmässigen Abständen bloggen, was sonst keiner glaubt: Wie das Leben mit einem frühkindlichen Autisten WIRKLICH ist.

Wer wir sind: Eine „ganz normale“ Familie: Jan (38), Vanessa (33) und zwei Kinder (Noah, 8 und Laura, 13), Hund. Ich bin vollzeitberufstätig als Ingenieur, meine Frau studiert und unsere Tochter besucht eine Gesamtschule. So weit, so normal. Unser Sohn jedoch ist frühkindlicher Autist. Er ist körperlich normal entwickelt, kann aber nicht sprechen, ist mehrere Jahre entwicklungsverzögert und inkontinent. Er besucht eine Förderschule für geistige Entwicklung.

Worum es gehen soll: Alle Welt redet von Inklusion. Von Gleichstellung, nicht nur in der Schule, sondern überall. Davon, dass Behinderte wie alle anderen auch an der Gesellschaft gleichberechtigt teilhaben sollen. Gilt das auch für die Angehörigen?

Wenn wir aus unserem Leben erzählen, hören wir oft „das kann doch garnicht sein“ oder „das wusste ich ja garnicht“. Meistens dann, wenn Inklusion nicht funktioniert, dann, wenn wir vor Aufgaben gestellt werden, die mit gesunden Kindern völlig problemlos sind. Davon möchte ich erzählen.